Früher waren sie klare Plagiate, danach schieden sich die Geister an der Frage, ob sie ein eigenständiges Design hatten. Inzwischen sind die neuen Xingbao-Minifiguren weit vom bekannten Vorbild entfernt. Seit 2020 setzt der chinesische Hersteller auf ein völlig neues Konzept, das leider nicht ganz durchdacht wirkt.
Aussehen der neuen Xingbao-Minifigur
Man könnte sagen, dass die Xingbao-Minifiguren „menschlicher“ aussehen als der Klassiker von LEGO. Denn die bekannteste Minifigur der Welt hat bei nüchterner Betrachtung eine sehr kantige Form mit eigenwilligen Proportionen. Für diese Form gibt es natürlich gute Gründe. Die Minifigur ist in ihrer Gestalt an die Größenverhältnisse, die die Noppen vorgeben, angepasst.
Xingbao hat sich inzwischen für den quasi entgegengesetzten Weg entschieden. Die neuen Minifiguren sehen viel mehr wie Mini Dolls aus LEGOs Friends-Serie aus, sind aber auch nicht mit deren Proportionen identisch. Alle Formen sind abgerundet und die Füße sind der einzige Teil der Minifigur, der auf Noppen halten kann. Auch bei der Größe geht der chinesische Hersteller nun andere Wege. Im Vergleich zu früher sind die Minifiguren deutlich gewachsen und haben einen sehr schmalen Rumpf. Die gesamte Form wirkt eher zierlich. Bemerkenswert ist, dass es auch Minifiguren mit Rock gibt. Dafür werden die Beine komplett durch ein anderes Formteil ersetzt.
Während die Unterschiede bei Steinen von Xingbao und LEGO also meistens sehr gering sind, erscheinen sie bei den Figuren umso größer. Ich nutze hier als Beispiele übrigens die Minifiguren aus dem BlueBrixx Western Saloon, den Xingbao produziert hat.
In dieser Größe nicht kompatibel mit der LEGO-Welt
Welche Auswirkungen haben also alle diese Änderungen? Zunächst fällt ins Auge, dass diese Minifiguren nicht in die üblichen Maßstäbe von Klemmbaustein-Sets passen. Alles um sie herum wirkt etwas zu klein geraten und man braucht sich keine Hoffnungen machen, dass eine Figur in ein LEGO-Auto oder auch nur auf einen gewöhnlichen Stuhl passen würde. Sie sind – und das ist ein ernstes Problem für mich – inkompatibel mit dem grundlegenden Raster, das uns die Steine vorgeben.
Können Xingbao-Minifiguren alles, was ihre LEGO-Kollegen können?
Die LEGO-Minifigur ist in einigen Punkten klar überlegen. Bei Xingbao hatte es ganz offensichtlich keine Priorität, die neuen Minifiguren richtig an das Klemmbaustein-System anzupassen. Vor allem gibt es keine Möglichkeit, die Figuren im Sitzen auf Noppen zu stecken. Bei vielen anderen Herstellern – nicht nur beim Marktführer – sitzen die Minifiguren auf einer Fläche von exakt 2×2 Noppen. Sie passen damit genauso gut in die Maßeinheiten wie jeder einzelne Stein, während Xingbao dieses Maß völlig ignoriert.
Hinzu kommen weitere Schwächen, die ich an den Beinen ausmache. Mit der Konstruktion von Xingbao lassen sich nur beide Beine zusammen bewegen, denn sie sind ein zusammenhängendes Teil. Die Minifigur ist dadurch insgesamt weniger beweglich.
Wo diese Minifiguren komplett „für die Füße“ sind
Eine unerwartete Beweglichkeit findet man hingegen an den Füßen, wo sie zunächst nicht nötig erscheint. Das stört nicht, solange man die Minifigur bloß irgendwo auf Noppen stellen will. Falls der Platz eng wird, bekommt Xingbao aber Probleme – und vielleicht wurden die Füße gerade deshalb beweglich gestaltet. Die Figur passt wegen der Länge der Füße nämlich nicht sauber auf eine Fläche von exakt zwei Noppen. Uns verfolgt auch hier wieder das Thema mit den Größenverhältnissen. Wenn die Figur zum Beispiel auf dem Pferd sitzen soll, müssen die Füße extra nach außen gedreht werden.
Es könnte zum dauerhaften Problem werden, dass sich Xingbao damit eine Sollbruchstelle gebastelt hat. Bei einer Minifigur, die ich nur ein paar Mal auf eine Platte gestellt und wieder von den Noppen genommen habe, brach plötzlich ein Fuß ab.
Eine andere Figur hält um die Hüfte herum nicht so straff zusammen, wie es sein sollte. Man kann nur hoffen, dass solche Qualitätsprobleme nicht der dauerhafte Standard bleiben.
Alte Minifiguren von Xingbao waren nicht legal
Warum wählt ein Hersteller nun so ein ungewöhnliches Design? Die Antwort ist wohl in der Vorgeschichte der aktuellen Minifiguren zu finden. Xingbao imitierte nämlich früher fast exakt die Minifigur von LEGO. Ich selbst hatte Xingbao zum Ersten Mal Anfang 2019 in der Hand. Zu diesem Zeitpunkt bekam man noch Minifiguren, bei denen ich ohne zu zögern von einer Kopie des LEGO-Vorbilds sprechen würde. Das mag in China völlig in Ordnung sein, aber in Europa ist das Design der LEGO-Minifigur rechtlich geschützt. Es gab den erwartbaren Ärger, der schon kurz darauf zu einer ersten Überarbeitung des Designs führte.
Insgesamt funktionierte auch danach noch alles wie bei den Minifiguren der Dänen. Allerdings wurden die Beine vorne abgerundet, der Oberkörper erhielt eine leicht abgewandelte Form und die Arme waren an den Schultern plötzlich viel beweglicher. Man konnte sie auch seitlich nach oben bewegen. Die Änderungen waren deutlich erkennbar, lösten aber offenbar nicht das Problem. Auch diese Variante der Xingbao-Minifigur war dem LEGO-Design noch so ähnlich, dass sie noch im Jahr 2019 zumindest vorerst aus dem Verkehr gezogen wurde. Bei den Händlern, die Xinbao im Angebot hatten, gab es alle Sets zunächst nur noch ohne jede Figur. Das neue Modell hingegen kam auch bald in die Sets von BlueBrixx-Special. Bis dahin hatte die chinesische Marke mit ihren Sets nur Steine für BlueBrixx geliefert.
Letztlich hat Xingbao sich also völlig vom gewohnten Design einer Minifigur verabschiedet. Was 2020 auf den Markt kam, ist nun womöglich weniger von Rechtsstreitigkeiten gefährdet. Dafür ist Xingbao aber auch nicht mehr kompatibel mit dem üblichen Maßstab von Klemmbaustein-Sets.