„DDR-LEGO“: Das waren die Baustein-Marken aus dem Osten

Ein DDR-Schild am Heck eines gelben Trabi.

Während im Westen die Firma LEGO einen Siegeszug antrat, entwickelten sich auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs ganz andere Klemmbaustein-Systeme. Mit Formo und PEBE konkurrierten dort gleich zwei Hersteller um einen Platz im Kinderzimmer. Ich selbst bin Jahrgang 1985, komme aus dem Westen und wusste mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht einmal, dass es für LEGO überhaupt eine Konkurrenz in der DDR gab. Umso überraschter war ich festzustellen, dass es sogar vier verschiedene Arten von Steinen von zwei Herstellern gab. In einem kurzen historischen Abriss möchte ich deshalb aufrollen, was es mit dem „DDR-LEGO“ auf sich hatte.

„DDR-LEGO“ und echtes LEGO: Am Ende war nichts mehr kompatibel

Auch wenn sich Formo, LEGO und die meisten Steine von PEBE sehr ähnlich sehen, waren die Systeme zumindest in späteren Phasen der Produktion nicht mehr Kompatibel. Das Zusammenspiel von Noppen und Unterseite der Steine, aus dem die Klemmwirkung entsteht, war bei allen Herstellern unterschiedlich umgesetzt. Nicht nur, das es zwischen LEGO und „DDR-LEGO“ große Unterschiede gab. Auch die beiden Hersteller aus dem Osten ließen sich nicht zusammenstecken. Beide Systeme konnten sich trotzdem über mehrere Jahrzehnte behaupten und sowohl PEBE als auch Formo wurden ins Ausland exportiert – auch in den Westen, was zwischenzeitlich zu Problemen führen sollte.

Formo: DDR-Klemmbausteine aus Gotha

Die Quellen zu Formo-Bausteinen sind nicht besonders zahlreich, obwohl die Steine in der DDR weit verbreitet waren. In der Kurzfassung sieht die Firmengeschichte wie folgt aus: Die ersten wichtigen Patente gehen auf das Jahr 1957 zurück, als Firmengründer Werner Wind sich seine Idee für Bausteine und Dachkonstruktionen sicherte. Ein Jahr später folgten weitere Patente und die Gründung der Gothaer Kunststoffverarbeitung W. u. H. Wind in Gotha. Das Steine-System hieß anfangs noch Plasteck, wurde aber bis spätestens 1970 in Formo umbenannt.

Die Produktion ging auch nach der Verstaatlichung zur VEB Gothaer Kunststoffverarbeitung im Jahr 1972 weiter. Die Bausteine blieben auf dem Markt der DDR beliebt, bis schließlich die Wende kam und die Produktion im Jahr 1990 endete.

Formo-Steine
Viele Formo-Steine auf einem Haufen. Ganz vorne liegt ein Baustein von PEBE. ©Aineias, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Noch heute gibt es neue Formo-Steine

Nach dem vorläufigen Aus für Formo wurde die Produktion allerdings im Jahr 2003 wieder aufgenommen. Einen Konflikt mit LEGO musste man nicht befürchten, denn das System von Formo war nicht mit den dänischen Steinen kombinierbar. Ein nachhaltiger Erfolg hatte sich in der Folge offensichtlich nicht entwickelt. 2011 wurde erneut die Produktion eingestellt. Formo war scheinbar endgültig gestorben.

Soweit sollte es dann aber doch nicht kommen, denn es gibt auch heute imm noch neu produzierte Formo-Steine. Die Website formo-bausteine.de, auf der auch der Vertrieb der Steine stattfindet, erklärt hierzu: „Ein ehemaliger Mitarbeiter erwarb ein Teil der Spritzgusswerkzeuge und die passende Maschine. Die Steine werden in der Nähe von Gotha mit den original DDR-Werkzeugen wieder als Auftragsarbeit (je nach Bedarf) produziert.“ Das ehemalige „DDR-LEGO“ wird also immer noch durch den Enthusiasmus seiner Fans am Leben gehalten.

Die oben genannte Website scheint auch die beste Adresse zu sein, um sich im Internet über Formo zu informieren. Über Bestellung, Versand oder auch die Qualität der Steine kann ich allerdings nichts weiter sagen.

PEBE: DDR-Klemmbausteine aus Bad Kösen

Die Firma PEBE aus Bad Kösen, einem Stadtteil von Naumburg, hatte im Rückblick eine etwas bewegtere Geschichte als die Konkurrenz von Formo. Der Firmenname geht auf die Initialen von Firmengründer Paul Bernhardt zurück, der PEBE 1955 in Leben rief. Zu diesem Zeitpunkt stellte das Unternehmen ausschließlich Klemmbausteine her, die seit 1960 nach Ost und West exportiert wurden. Erst 1971 folgte auch die Produktion weiterer Spielzeuge. Die Verstaatlichung zur VEB Plastica Bad Kösen wurde im Jahr 1972 durchgeführt.

„DDR-LEGO“ bekommt Ärger mit dänischem LEGO

Was etwas später folgte, dürfte viele überraschen, wenn sie noch nie vom „DDR-LEGO“ gehört haben. Denn der Rechtsstreit, der bald danach folgte, könnte ebenso gut aus den 2000er Jahren stammen. LEGO sah in den PEBE-Produkten offenbar eine Gefahr für das eigene, rechtlich geschützte Klemmbaustein-System. Der Konzern strengte eine Unterlassungsklage an, da die damaligen PEBE-Steine mit den Steinen aus Dänemark kombinierbar waren. In der Folge konnte das ostdeutsche Unternehmen seine Steine ab 1974 nicht mehr im Westen verkaufen.

Neubeginn mit PEBE 2000

Dieser Vorfall ist einer der Gründe, warum die Produktpalette von PEBE im Rückblick viel weniger einheitlich ist als bei Formo. Die Pläne dafür, die eigenen Bausteine unbegrenzt exportieren zu können, waren nämlich nicht auf ewig gestorben. Nach etwas mehr als einem Jahrzehnt unternahm PEBE einen neuen Anlauf, ein Produkt für den Weltmarkt zu produzieren. Dieses Mal sollte es keine Probleme mit Patentrechten geben. Das neue Systen, das sowohl zu LEGO als auch zu den früheren PEBE-Steinen nicht mehr kompatibel war, nannte sich PEBE 2000.

Die Umstellung des Systems erfolgte im Jahr 1985. Diese Neuausrichtung könnte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass PEBE nach der Wiedervereinigung einige Jahre überleben konnte. PEBE 2000 wurde in den 1990ern mehrfach mit neuen Sets erweitert, konnte aber das Unternehmen nicht retten. Die Insolvenz kam 1996. Eine Wiederaufnahme der Produktion im Jahr 2000 war von eher kurzer Dauer. Seit 2005 ist die Marke PEBE vom Markt verschwunden.

PEBE-Steine
Die Unterseite zeigt große Unterschiede zwischen alten PEBE-Steinen und PEBE 2000. ©Aineias photographed it with a Canon PowerShot A85 4.0 MP, CC BY-SA 2.0 DE, via Wikimedia Commons

Miniautos im 5-Millimeter-Raster

Die Umstellung auf PEBE 2000 war nicht die erste Einführung eines neuen Klemmbausteins bei PEBE. Schon wesentlich früher, nämlich 1974, kamen Steine im kleineren Maßstab auf den Markt. Während das Noppen-Maß bei den „normalen“ Steinen 8 Millimeter entsprach, handelte es sich bei den neuen Steinen um ein 5-Millimeter-Raster. Diese Steine wurden speziell für eine lange fortlaufende Serie von Miniautos genutzt.

Es handelt sich dabei also um die vierte Art von „DDR-LEGO“, wobei auch diese Steine mit keinem anderen System aus ostdeutscher Produktion kombinierbar waren. Einen Überblick über die Firmengeschichte, viele Sets, und auch manche Bauanleitungen gibt es auf pebe-archiv.de. Ich hoffe, dass in Zukunft doch noch jemand weiter daran arbeitet, mehr Informationen online zu stellen. Leider hat die Website schon lange kein Update mehr gesehen.

Was bleibt aus heutiger Sicht?

Wir sind inzwischen daran gewöhnt, dass der Weltmarkt mit Klemmbausteinen ganz verschiedener Hersteller versorgt wird. Dass sich ein Hersteller entschließt, mit einem eigenen, nicht LEGO-kompatiblen System an den Start zu gehen, wirkt aber geradezu absurd. Die Kombinierbarkeit aller Marken ist quasi selbstverständlich geworden. Die einzige verbreitete Alternative zum LEGO-Maßstab sind heute die Diamond Blocks.

Wenn wir nun auf das „DDR-LEGO“ blicken sollten wir diesen Gedanken zur Seite schieben. Die Entwicklung von PEBE und Formo fand ursprünglich in den 1950ern statt, als die Zukunft auf dem Markt für Bausteine noch völlig offen war. Jeder entwickelte ein eigenes System, das später den Praxistest bestanden hat. LEGO war noch nicht der Weltkonzern von heute und hatte seine Klemmbausteine noch lange nicht als das Maß aller Dinge etabliert. Dass die Materialqualität von PEBE und Formo eher schlecht bewertet wird, liegt wohl schlicht und einfach daran, dass es sich eben um ein typisches Produkt der DDR-Wirtschaft handelte. Auch für Spielzeug waren die Ressourcen knapp.